Rede und Gedenken an die Deportierten im jüdischen Ghetto von Venedig.
Bei ihrem Aufenthalt in Venedig gedachte Claudia Roth, die Kulturstaatsministerin, der jüdischen Menschen, die ab 1943 von deutschen Besatzern aus der Lagunenstadt deportiert und ermordet wurden. Sie legte einen Kranz am Campo del Ghetto Nuovo nieder und betonte dabei, dass Deutschland seine Verantwortung aus seiner Geschichte ernsthaft wahrnimmt und es als Pflicht ansieht, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.
Im Deutschen Studienzentrum in Venedig fand eine Veranstaltung statt, bei der Claudia Roth teilnahm und das Thema „Kultur der Nachhaltigkeit“ diskutiert wurde. In der Lagunenstadt wird deutlich sichtbar, wie sich der fortschreitende Klimawandel auswirkt und zu verschiedenen Klimakatastrophen führt, wie beispielsweise Hochwasser.
Rede von Claudia Roth – Video, Audio und Text
Video der gesamten Veranstaltung im Deutschen Studienzentrum in Venedig,
Centro Tedesco di Studi Veneziani – DSZV
Hier die Rede von Claudia Roth in Venedig zum Anhören
Hier der Text der Rede von Claudia Roth in Venedig (Transkript)
„Ich bin heute hier bei Ihnen in Venedig an einem Ort mit einer langen, langen, langen, jahrhundertealten Geschichte, aber auch mit einer Geschichte, die verknüpft ist mit den Verbrechen, die Nationalsozialisten begangen haben an Jüdinnen und Juden in Italien.
Und ich bedanke mich von ganzem Herzen bei den Vertretern der Jüdischen Gemeinde in Venedig dafür, mit offenen Armen begrüßt zu werden, mit offenen Armen empfangen zu werden, obwohl es diese Geschichte und diese Verbrechen von Deutschen an den Jüdinnen und Juden hier in Venedig, hier in Italien, in Europa, in der Welt gegeben hat.
Und wenn ich hier bin, dann ist es ein Erinnern, es ist ein Erinnern nicht, um sich in der Vergangenheit einzumauern, sondern ein Erinnern in die Zukunft, damit das Nie wieder ein tatsächliches Nie wieder ist. Nie wieder Antisemitismus. Nie wieder Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt und Mord an Menschen, weil sie Juden oder Jüdinnen sind. Nie wieder ist heute vielleicht wichtiger, als in den vergangenen Jahren und deswegen ist das Erinnern eine wichtige Aufgabe gegen all die, die unsere Geschichte relativieren wollen, entsorgen wollen, die von einem Schlussstrich sprechen. Es gibt keinen Schlussstrich, wenn es darum geht, zu erinnern an das größte Menschheitsverbrechen, den Holocaust, die Shoah.
Es gibt Menschen, die sagen ‚“aber das ist doch schon so lange her, damit habe ich doch gar nichts mit zu tun“. Ich bin meinem Vater seligen Angedenkens sehr, sehr dankbar. Mein Vater hat mir erklärt und hat mir vermittelt, dass auch die Verbrechen im Nationalsozialismus, die von Deutschen begangen wurden, Teil meiner Biografie als Deutsche sind. Ich kann mich nicht davon verabschieden, ich kann nicht sagen, damit habe ich nichts zu tun, sondern es ist Teil meiner Biografie als Deutsche. Und aus dieser Biografie, aus diesem Teil des Menschseins, auch meiner Geschichte, die nicht erst 1955 mit meiner Geburt beginnt, entspringt Verantwortung. Verantwortung für das Heute und das Morgen.
Und ich bin ziemlich stolz, hier nicht allein zu sein als Deutsche, sondern, dass hier junge Leute sind aus Koblenz, aus Berlin, aus Dortmund, ein wichtiger Ort. Da spielt Italien bei der Europameisterschaft Fußball gegen Albanien und ich bin sehr froh, dass diese jungen Menschen genau diese Verantwortung mittragen und zeigen, dass dieses Deutschland aus seiner Geschichte lernt und nie aufhört zu lernen und diese Verantwortung als Teil unseres Seins und als Teil unserer Gegenwart und unserer Zukunft versteht. In Zeiten, wo es bei uns ein Anwachsen von Antisemitismus gibt, in Zeiten, wo Jüdinnen und Juden sich bei uns nicht sicher fühlen, wo sie sich alleingelassen fühlen und auch da haben wir sehr viel zu tun, um ihnen gerecht zu werden und auf sie zuzugehen und zu sagen, Ihr seid Teil unserer Gesellschaft, Ihr gehört dazu, Ihr seid nicht allein und es ist unsere Aufgabe, es ist meine Aufgabe, als Nichtjüdin jeder Form von Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit entgegenzutreten.
Und lassen Sie mich zum Ende noch sagen, dass der 7. Oktober 2023 ein brutaler Einschnitt war, eine bestialische Gewalt, die Menschen, Kinder, Frauen, Männern, Jungen, Alten, Festivalbesuchern, die für den Frieden, für die Freiheit, für ihre Freiheit gefeiert haben, die Opfer dieses bestialischen Terrors geworden sind. Und seien Sie versichert, dass der tiefe Schmerz und die Trauer um die Opfer, um die Verletzten, und die Sorge um die Geiseln, die immer noch in Geiselhaft sind, von uns zutiefst mitgetragen wird. Vielen Dank, dass ich heute bei Ihnen sein darf.“
Alle Inhalte mit freundlicher Genehmigung
PD Dr. Richard Erkens
Direktor / Direttore
Centro Tedesco di Studi Veneziani
Deutsches Studienzentrum in Venedig
www.dszv.it
Alle Fotos: Marta Buso / Deutsches Studienzentrum in Venedig / BKM
Rede von Claudia Roth als Audio-Datei von Ytali.com
Video vom Deutschen Studienzentrum in Venedig
Mehr zum Italienbesuch von Claudia Roth gibt es auf der Webseite der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien