Die Geschichte hinter den mysteriösen weißen Steinlinien
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das Pflaster des Markusplatzes in Venedig mit vielen weißen Steinquadraten bedeckt ist? Diese Besonderheit des venezianischen Platzes mag zufällig oder rein dekorativ erscheinen, ist es aber nicht, denn die weißen Steinlinien haben eine Geschichte, die bis in die Zeit der Republik der Serenissima zurückreicht.
Es gibt einen Grund, warum der Markusplatz mit diesen weißen Quadraten bedeckt ist, die in der Vergangenheit eine ganz bestimmte Funktion hatten. Diese grafischen Zeichen dienten der Abgrenzung der für die Stände reservierten Flächen während der Messen und insbesondere der anlässlich der Festa della Sensa organisierten Messe, die im Mai stattfand und vierzehn Tage lang dauerte. Auf dieser Messe wurden viele Waren verkauft, von Samt bis zu Parfüm, von Kosmetika bis zu Spiegeln, und die Händler kamen zu diesem Anlass aus dem gesamten Mittelmeerraum nach Venedig. Jeder Bereich war daher für eine bestimmte Zunft reserviert, und auf dem Markusplatz sind noch zwei Inschriften zu finden, die angeben, welche Art von Händlern sich in dem jeweiligen Bereich aufhalten durfte.
Vor dem Grancaffè Quadri befindet sich nämlich eine kaum wahrnehmbare Inschrift: „1625 Per l’arte de calegheri“, was soviel bedeutet, dass dieser Bereich für Schuhmacher reserviert war. Genau auf diesem Platz konnten die venezianischen Schuhmacher, die einer der wichtigsten Zünfte der Stadt angehörten, ihre Dienstleistungen anbieten. Die Calegheri waren die Schuhmacher der Reichen, spezialisiert auf caligae, Militärsandalen, und standen im Gegensatz zu den Zavatteri, den Schustern, die Schuhe aus altem Leder für die Armen herstellten.